Stadt- Industrieflora

Donnerstag, 3. August 2006

Weisser Beinwell

Weisser-Beinwell

Beinwell ist ein weit verbreitetes und häufig vorkommendes Kraut. Meist blüht er in rosa-violetten Farbtönen. Auffallend ist, dass auf einem Brachgelände am Mörsenbroicher Ei gegenüber dem ARAG-Tower ausschließlich weißblühende Pflanzen vorkommen. Wenn man näher hinsieht, erkennt man, dass die Blüten in der Nähe der Basis deutliche Fraßlöcher aufweisen. Diese wurden von Bienen oder Hummeln - sehr wahrscheinlch Hummeln - verursacht. Sie schaffen es nämlich nicht, durch den engen Blütenkelch an den begehrten Nektar zu gelangen und bohren einfach in der Nähe der Nektarkammern am Blütenboden diese Löcher, um so an ihre Nahrung zu gelangen.

Mittwoch, 2. August 2006

Einjähriges Bingelkraut

Mercurialis annua

Bingelkraut

Bingelkraut ist ein häufig vorkommendes mehr oder weniger unscheinbares, 20 bis 40 cm hohes Kraut. Es gehört zu den Wolfsmilchgewächsen (Euphorbiaceae). Im Gegensatz zu fast allen anderen Wolfsmilchgewächsen scheidet das Bingelkraut keinen milchig weißen Saft aus, wenn man es verletzt. Auch die Giftigkeit der Pflanze entspricht nicht der der meisten übrigen Wolfsmilchgewächse. Trotzdem soll es Bestandteil verschiedener Hexensalben gewesen sein.

Der botanische Name leitet sich von Merkur ab. Hermes soll, so die Überlieferung aus der antik griechischen Welt, die medizinischen Anwendungen der Pflanze entdeckt haben. Die Griechen nannten die Pflanze "hermu poa" (Hermesgras). Der Hermes der Griechen entspricht dem Mercurius der Lateiner.

Der volkstümliche Name Bingelkraut hat da weit menschlichere Wurzeln.

In einem meiner schlauen Bücher steht, dass das Volk in den Früchten Ähnlichkeiten mit dem behaarten Skrotum eines jungen Mannes sah. Ich muss schon sagen, dazu gehört eine gehörige Portion Fantasie. Die Früchte stehen auf einem kurzen Stiel und bestehen aus zwei nah aneinander geschmiegten Halb-Kügelchen, die grob behaart sind.

Bingelkraut2

Wenn alles, was paarig vorkommt und rundlich ist, an ein Skrotum erinnert, dann, ja, dann mag es so sein. Viel interessanter finde ich, dass dieses männliche Skrotum in wenigstens einem Sprachraum Bingel genannt wird. Das scheint mir lautmalerisch zu sein und mag Glockengeläut beschreiben. "bingel, bingel"

Die Pflanze ist zweihäusig, d.h. es gibt weibliche Pflanzen, die mit dem Skrotum, und männliche Pflanzen mit weißen Blüten, wie auf dem Bild oben zu sehen. Ich beobachte, dass sie vor allem von Schwebfliegen, diesen Wespenmimikris, beflogen werden, obwohl es hier ausreichend Bienen und vor allem kleine Erdhummeln gibt. Das Gleiche gilt übrigens auch für die in der Nähe wachsenden Wolfsmilchpflanzen (Euphorbia helioscopia).

Früher wurden die Skrotum tragenden Pflanzen logischerweise für die männlichen gehalten. Man verabreichte sie schwangeren Frauen, um zu bewirken, dass sie männliche Nachkommen zur Welt brachten. Da lobe ich mir die Wissenschaft!

Ernsthafte Vergiftungserscheinungen beim Menschen sind nicht bekannt. Trotzdem ist der Verzehr nicht zu empfehlen. Man munkelt zwar, die Briten hätten während des 2. Weltkrieges behauptet, die Deutschen würden Bingelkraut als Salat zubereiten. Sollte man jedoch einmal Bingelkraut zu sich genommen haben, so sei man darauf vorbereitet, dass der Harn sich rotblau färbt. Der in der Pflanze vorkommende Farbstoff Hermidin kann in rote, blaue und braune Farbstoffe umgewandelt werden. Beim Trocknen verfärbt sich die Pflanze blau und stinkt. Das eine bewirkte, dass man Bingelkraut einst für Indigo hielt, das andere verlieh ihr den Beinamen "Stinkerich"

Sonntag, 30. Juli 2006

Bonjour

Althaea
Althaea

Freitag, 28. Juli 2006

Frauenmantel

Alchemilla mollis (Alchemilla vulgaris)

Der Frauenmantel ist eine bei uns heimische Pflanze aus der Famile der Rosengewächse. Sie hat zahlreiche, verschiedene populäre Namen. Solche sind neben Frauenmantel auch Alchemistenkraut, Aller Frauen Heil, Frauenhut, Frauenhaarmantel, Frauenkraut, Frauenrock, Frauentrost, Frauenwurzel, Gänsefuß, Gewittergras, Hergottsmäntelein, Himmelstau, Jungfernwurz, Löwenfußkraut, Mantelkraut, Marienblümli, Marienkraut, Marienmantel, Muttergottesmantel, Perlkraut, Regendachl, Regendächle, Sintau, Synnaw, Sonnenthau,Taubecher, Taublatt, Taufänger, Taumantel, Taurosenkraut, Tauschüsserl, Tränenschön, Unser Frowen Mantel, Wasserträger, Weiberkittel, Wiesensinau.

Der Frauenmantel ist eine mit viel Mystik und vielen Deutungen und Bedeutungen behaftete Pflanze, eine Pflanze, welche die Fantasie unser Vorfahren reichlich gekitzelt hat und so, wie ich bei der Durchsicht der Einträge im Internet sehe, auch heute noch so manchem Quacksalber zum unredlichen Einkommen verhilft.

Der botanisch Name leitet sich vom Arabischen "alkemelych" über Griechisch "alkhymeia"(Alchemie) ab. Einige der populären Namen weisen auf die Verwendung der Pflanze bzw. ihrer Teile in der Volksmedizin hin. So soll Alchemilla z.B: gegen ‚Frauenleiden‘ helfen. Dies nicht nur im naheliegenden Sinne sondern auch:

"Wenn eine Frau, die weiche Brüste hat, in die Badstube geht und im Ausgang ein mit Sintau (althochdeutsch: Immertau) genetztes Tüchlein überlegt, bekommt sie straffe Brüste".

Wasserperle

Auch die Jungfräulichkeit ließ sich damit wieder herstellen. (Jungfernwurz)

Die Allchemisten benutzten die Guttationstropfen der Alchemilla zur Herstellung des ‚Stein der Weisen‘

Das will ich aber hier nicht vertiefen. Lediglich Namen wie Gewittergras, Perlkraut, Sintau, Sonnenthau, Taubecher, Taublatt, Taufänger, Taumantel, Taurosenkraut, Tauschüsserl, Tränenschön, Wasserträger finden hier unser Interesse. Diesen Namensgebungen und der Tatsache, dass diese Pflanze als Wetteranzeiger galt, will ich im Folgenden auf die Spur kommen.

Schaut man auf eine solche Pflanze, fällt einem oft auf, dass sich in der Mitte des Blattes ein auffälliger, Perlen gleicher, im Licht schillernder, dicker Wassertropfen befindet. Dies ist manchmal das Ergebnis von Guttation, manchmal von Tauniederschlag oder auch von Regenniederschlag. Solch ein dicker Wassertropfen verdunstet wesentlich langsamer als ein Wasserfilm. Dadurch glitzert er noch in der Blattmitte, wenn rundherum alles schon abgetrocknet ist.
Aber er bildet sich eben auch, ohne dass es taut oder Regen fällt, rein als Ergebnis von Guttation.

Was ist Guttation?

Sieht man sich einen Baum an, so wird deutlich, dass nicht geringe Kräfte wirken müssen, um Wasser bzw. Nährlösungen von der Wurzel bis in die Blätter im Kronenbereich zu fördern. Hierbei spielen viele Faktoren zusammen. Darunter sind der Wurzeldruck (Turgordruck), Kapillarität (Wasser steigt in engen Röhren auf Grund der Adhäsion an den hier Zell- bzw Leitungsbahnwänden hoch), sowie eine Sogwirkung, die sich aus dem Unterschied des Systemdrucks, der innerhalb der Pflanze herrscht, herleitet, wobei in den Verdunstungsorganen (zumeist den Blättern) eben durch Verdunstung ein geringerer Druck als in der übrigen Pflanze entsteht und somit den ununterbrochenen Wasserstrom (wie z.B. ein Unterdruck der Luft von Luft höheren Drucks in der Umgebung ausgeglichen wird) anzieht. In Wirklichkeit ist die Sache noch etwas komplexer. Das aber sollte hier reichen.

Blätter haben auf der Blattunterseite zahlreiche Spaltöffnungen (Stomata). Diese stellen eine Verbindung zur Außenwelt her, während der Rest eines Blattes durch seine Epidermis und eventuell eine Kutikula abgeschlossen ist. Unter anderem dienen sie dazu, überschüssiges Wasser und darin gelöste Stoffwechselprodukte in die Umgebung abzugeben. Das funktioniert normalerweise durch Verdunstung. Diese Spaltöffnungen haben einen Öffnungs- bzw. Schließmechanismus, können ihre Öffnung also den Bedürfnissen und Gegebenheiten anpassen. Nicht zuletzt wird hierdurch auch eine Temperaturregelung, zumindest eine Kühlung bei hohen Temperaturen erreicht. (Verdunstungskälte) Ist die umgebende Luft jedoch mit Feuchtigkeit gesättigt, funktioniert dieser Mechanismus nicht mehr. In mit Feuchtigkeit gesättigte Luft kann keine Flüssigkeit mehr abgegeben werden.

Die Pflanze hat aber nach wie vor einen Stoffwechsel und ist auf Wasser- bzw. Nährlösungstransport angewiesen. Jetzt kommt es zur Guttation. Unter Guttation versteht man die Abgabe von Wasser in Tropfenform über die sog. Hydathoden. Hydathoden sind den Spaltöffnungen zu vergleichen, sitzen jedoch nicht an der Blattunterseite sondern bei zweikeimblättrigen Pflanzen (Dicothyledonen) an den Blatträndern und bei einkeimblättrigen Pfanzen (Moncothyledonen), z.B. Gräsern an der Blattspitze, also jeweils an den Enden der Leitungsbahnen. Sie verfügen nicht wie die Stomata über einen Schließmechanismus.

Bei Gräsern kann man das fast jeden Morgen deutlich mit bloßem Auge sehen. Oft ist das, was wir Morgentau nennen und, gehen wir früh morgens mit bloßen Füßen über die Gartenwiese, deutlich und meist angenehm spüren, nämlich nicht der Tau der Nacht, sondern es sind eben jene Guttationstropfen. In der Nacht kühlt die am Tag von einer Wassersättigung oft weit entfernte Luft deutlich ab. Das bedeutet, die Wassersättigung innerhalb der Luft steigt, da diese ihr Volumen und damit auch ihr Wasserhaltevermögen reduziert. Außer bei innerstädtischen, völlig mit Wärme speichernden Materialien (Beton, Stein) zugepflasterten und verbauten Arealen, bei denen eine Abkühlung nicht bis herunter zu dem sog. Taupunkt erfolgt, kommt es regelmäßig spätestens in den frühen Morgenstunden zu einer Sättigung der Luft mit Wasser. Dies führt einerseits oft zur Taubildung aber eben auch zu der oben beschriebenen Guttation. Was wir mit unseren bloßen Füßen so angenehm spüren, ist meist das Produkt dieser Guttation. Tau rinnt sehr bald am Blatt ab und bildet keine größeren Tropfen. Guttation hingegen bildet sehr ausgeprägte Tropfen mit einer hohen Oberflächenspannung. Es handelt sich nicht um reines Wasser sondern um eine wässrige Lösung. Diese Tropfen fallen zwar, werden sie zu groß, um sich halten zu können, ab, aber werden sofort durch neue Tropfen ersetzt.

Hier ein Bild aus dem Winter

Guttation

Rauhreif ist gefrorener Tau. Zur Taubildung kommt es bei Sättigung der Luft mit Feuchtigkeit. Dies geschieht meist auf Grund nächtlicher Abkühlung der Luft. Unter Guttation verstehen wir Wasserausscheidungen der Pflanze, die bei Sättigung der Luft mit Feuchtigkeit aber fortwährendem Stoffwechsel der Pflanze entstehen. Tau kommt von außen Guttation von innen. Der Unterschied lässt sich hier gut erkennen


Frauenmantel, die Wetterpflanze

Jetzt kommen wir wieder zurück zu unserem Frauenmantel. Bei diesem fallen die Guttationstropfen nicht nur einfach auf die Erde sondern etliche von diesen rollen in das trichterförmige Blatt und sammeln sich auf dem Grund des Blatttrichters in Form einer großen Wasserperle. Da finden wir somit auch an manchen Tagen, obwohl es seit Stunden nicht getaut und lange nicht mehr geregnet hat, diese erstaunlich großen, schillernden Wasserperlen.

Wie weiter oben gesehen kommt es bei hoher Sättigung der Luft mit Wasser zu solcher Guttation. Das kann auch tagsüber geschehen, nämlich immer dann wenn die relative Luftfeuchtigkeit sich den 100% nähert oder diese erreicht. Der Frauenmantel ist eine sehr stoffwechselaktive Pflanze mit ausgeprägten Hydathoden. .

Unsere Vorvorderen haben das natürlich gesehen und so war der Frauenmantel für sie eine Möglichkeit, das Wetter ‚vorauszusagen‘. Bildeten sich im Blatttrichter auffällig Wasserperlen, so, das konnten sie sagen, war schlechtes Wetter zu erwarten. Bei aufkommenden Tiefdruckgebieten erhöht sich die Luftfeuchtigkeit, der Wasserdruck innerhalb der Luft. Es kommt also zur Guttation. Hier hatten unsere Vorvorderen ein lebendes Hygro- und Barometer.

Alchemilla2

PS: Der Taupunkt wird meist selbst in Wüsten erreicht. (Hohes Temperaturgefälle zwischen Tag und Nacht) Manche der dort spärlich vorkommenden Pflanzen haben da so Tricks. Ein Beispiel sind in die Höhe gestreckte ‚Stacheln‘, an denen der Tau sich absetzt, herunter läuft und in speziellen ‚Kammern‘ aufgefangen wird oder von der Oberfläche aufgenommen wird.. Wird der Taupunkt nicht erreicht, erstirbt fast jedes nicht nur pflanzliche Leben. Ein Schrecken unserer Innenstädte, der jetzt erkannt ist und dem man aber immer noch zu wenig entgegenwirkt.

Donnerstag, 27. Juli 2006

Mykorrhiza und andere Abschweifungen

Wenn es ums Waldsterben geht, dann unterliegen die Begründungen dafür ebenso Zeiterscheinungen, die man gut und gerne auch ‚Moden‘ nennen kann, wie Blattrandnekrosen an den Weihnachtssternen, die plötzlich auf einen, schon weil`s so hipp klingt, Molybdänmangel zurückgeführt werden, worauf eine Flut von Moöybdänpräparaten den Markt überschwemmen, während zu anderen Zeiten eine falsche Temperaturführung oder einfach ein Übergießen verantwortlich gemacht wird.

Trotzdem möchte ich mich damit beschäftigen, allerdings als Erstes das Wort ‚Waldsterben‘ durch ‚Schädigungen an wild wachsenden Pflanzen‘ ersetzen. Ich werde auf einen nicht Jedem bekannten Zusammenhang hinweisen.

80% unserer Pflanzen leben in Symbiose mit Pilzen. Eine derartig Symbiose bezeichnet man als Mykorrhiza. Diese an einer solchen Mykorrhiza beteiligten Pilze leben einerseits von Stoffwechselprodukten der Pflanze liefern den Pflanzen aber andererseits für diese notwendige Nährstoffe, die sie dem Boden entnehmen und in für Pflanzen verwertbare Formen umwandeln. (Mutualismus) Diese Lebensgemeinschaften sind oft essentiell. Darüber hinaus vergrößern sie die Wurzelverzweigung und –oberfläche um oft ein Vielfaches und erschließen Böden so wesentlich weitreichender und intensiver, als die Pflanzenwurzeln es ohne diese Hilfe schafften.

Die Mykorrhizapilze haben ihre Ansprüche. So reagieren einige empfindlich auf den pH-Wert des sie umgebenden Bodens, andere wiederum mögen es überhaupt nicht, wenn die Konzentration von Mineralien zu hoch oder zu niedrig ist. Viele sterben, wenn der Gehalt an dem im Boden normalerweise nur in geringen Mengen vorkommenden Element Stickstoff steigt.

Dies aber ist in weitem Maße heute der Fall. Stickstoffmonoxid (NO), Distickstoffoxid (N2O) und Stickstoffdioxid (NO2) sind Bestandteile der Stickstoffoxide (NOx), die unter anderem bei Verbrennungsprozessen mit hohen Temperaturen entstehen - beispielsweise in Kraftfahrzeugen, in Kraftwerken und der Industrie. Eine hohe Konzentration von Stickstoffverbindungen (z.B. Nitrat) im Boden setzen Säure frei, lassen Wurzeln weniger wachsen, was die Standfestigkeit von Bäumen beeinträchtigt und in Notzeiten auf grund des geringen Wurzelvolumens zusätzlich zu Ernährungsmangel führt und schädigen die Mykorrhiza und damit die Fähigkeit der Böden, schädliche Einflüsse abzupuffern und so Schäden gering zu halten bis hin zur Gewährleistung eines Überlebens der pflanzlichen Individuen bzw. Pflanzengesellschaften.

Man hat festgestellt, dass auf ausreichend mit Mykorrhiza versehenen Böden, Unbilden wie z.B. die Trockenperiode vor drei Jahren (auch die aktuelle) wesentlich weniger (Langzeit)Schäden anrichten als dies auf mit Mykorrhiza mangelhaft versorgten Böden der Fall ist. Die Mykorrhizapilze sind in der Lage, Mangelerscheinungen abzupuffern. Pilze stellen eine entwicklungsgeschichtlich sehr alte Form des Lebens dar, die wie viele dieser heute vielfältig und nahezu überall existierenden Rudimente der Geschichte des Lebens (Silberfischchen) ungeahnte Möglichkeiten haben, das Überleben zu organisieren.

Ich komme noch einmal auf den oben erwähnten Weihnachtsstern zurück. Dessen Kultur ist wie die Kultur der meisten artifiziell* kultivierten Pflanzen mit einer Wildvegetation nicht zu vergleichen. Man weiß, was eine Pflanze zum guten Gedeihen braucht und führt ihr diese Stoffe gleich in der für sie optimalen Form zu. Da bedarf es keiner Mykorrhiza und auch weiterer für das Gedeihen einer Wildflora unabdingbaren, komplexen Interdependenz vieler Faktoren. Mag z.B. für manche Pflanzengesellschaft die Präsenz des bodenlockernden Regenwurms entscheidend sein, so kann man auf ihn in der artifiziellen Kultur verzichten, weil man ein von sich aus lockeres Substrat verwendet, welchem man auch die ansonsten für die Pflanze unabdingbaren Eigenschaften mitgibt.

Da wir unsere Wälder jedoch nicht unter derart kontrollierten Bedingungen und auch nicht unter Glas kultivieren können, gelten hier Gegebenheiten, wie sie ohne unser wissendes Eingreifen existieren. Es bleibt, dass wir mit (fast) jedem Düngen komplexe, unerlässliche Interdependenzen aufweisende Systeme schädigen. Sind diese erst einmal geschädigt, so sind sie auf unsere Kontrolle und unser wissendes Eingreifen angewiesen. Da dem Gartenbesitzer ein solches Wissen in der Regel fehlt, erscheint es nicht ganz falsch, beim Düngen und vielem weiterem Eingreifen sehr sorgfältig umzugehen. Je mehr man etwas sich selbst überlässt, umso größer ist die Chance, dass das, was dennoch blüht und gedeiht, gesund ist und uns Vorteile bringt.

Das Wenigste, was uns in Gartenzeitungen, im Radio, im Fernsehen mit der Attitüde des grünen und geheimnisvollen Wissens vermittelt wird, entspricht diesem Wissen. Etliche der dort Agierenden üben sich regelmäßig ebenso in Scharlatanerie wie diejenigen, die in den esotherischen Bereich abdriften.

Wenn man seinen Garten mehr sich selbst überlässt, der ‚Herrschaft des Menschen über die Natur‘ nicht die diktatorisch höchste Priorität einräumt, sondern beobachtend erlebt, was sich da von selbst so tut, überfällt einen möglicherweise Staunen und man hat die Chance, etwas zu begreifen. Ein solcher Garten entspricht dann allerdings nicht den Ordnungsprinzipien eines Schlossherren Aber wenn wir uns befragen, ob wir im kleinsten Garten unbedingt eine Rasenfläche brauchen oder solche Exoten, die ohne unsere permanente Hilfe schneller eingehen als die sprichwörtliche Primel, dann können wir die Frage sehr oft negativ beantworten.

Rund um den Garten hat sich längst eine Industrie etabliert. Diese schert sich einen Dreck um unsere Umwelt sondern bedient tief in uns sitzende Bedürfnisse nach Geltung, wobei sie sich der Vorstellung, die wir von ehemaligen Fürstenhäusern, Schlössern und unendlichem Reichtum etc. haben, bedienen und dabei zynisch das Fähnlein der ‚Naturliebe‘ wehen lassen. Der Garten hat für Viele in dieser Hinsicht das Auto längst abgelöst. Dem Geltungsbedürnis folgt dann das nach Ordnung, Ordnung schaffen – Herrschen – auf dem Fuße.

Einige der Mykorrhizapilze sind dem Laien wenigstens mittelbar bekannt und genießen z.T. hohe Wertschätzung, so z.B. der Steinpilz oder die Trüffel. Trüffel und Steinpilz kommen nur in ‚naturbelassenen‘ Gegenden vor und eben nicht in unseren herrschaftlichen, lächerlichen Gärten.

Dem der Weiterführendes zu Mykorrhiza erfahren will, sei eine Arbeit der Uni Hamburg empfohlen. *** Dort stehen u.a. folgende Sätze: Wie wichtig die Anwesenheit der "richtigen" Mykorrhizapilze für ein Baumwachstum ist, ergibt sich u.a. aus der Erfahrung, daß Grasland (Prärie), das weitgehend frei von diesen Arten ist, nur schwer aufzuforsten ist. Zahlreiche Versuche sind gescheitert. Erst nach Inokulation der Bäume (in Baumschulen) gelangen die Aufforstungsmaßnahmen. Aha, sage ich da. Sooo kommt es also, dass große Grasländer sich halten und eben nicht wie bei uns von Wald überwuchert werden.

Auch das hier finde ich ganz hübsch spannend: Ericales, vor allem Arten aus der Familie der Ericaceen, sind in der Natur stets mit Pilzen assoziiert, sie gelten daher als obligat mycotroph. Das heißt aber nicht, daß man Ericaceen nicht pilzlos kultivieren könnte. Unter Kulturbedingungen, auf rein anorganischem Substrat, wachsen Calluna (Heidekraut Anm.), Vaccinum (Blaubeeren, Preißelbeeren Anm.), Azaleen u.a. ebenso gut wie in der Natur zusammen mit Pilzen. Setzt man dem Nährmedium jedoch organisches Material (z.B. Pepton oder Hefeextrakt) zu, ist das Wachstum stark gehemmt. Offensichtlich sezernieren die Wurzeln Substanzen, die in Reaktion mit dem organischen Material Toxine produzieren. In Anwesenheit von Pilzen werden jene wieder inaktiviert. Mit anderen Worten: das Wachstum ist auf nährstoffreichen Böden mit Mykorrhizapilzen optimal. Aber gerade die Ericaceen sind in der Natur fast nur auf sauren, extrem nährstoffarmen Böden zu finden. Der Vorteil der obligaten Assoziation mit Pilzen erlaubt es ihnen, auch diese Böden effizient auszubeuten. Der Pilzbefall erfolgt bei einer Reihe von Arten kurz oberhalb des Vegetationspunkts. Bei Calluna (Heidekraut Anm.) jedoch wird durch den Pilz der primäre Vegetationspunkt der Wurzel zerstört, und als Folge davon werden sekundäre Vegetationszonen aktiviert, was wiederum zu einer Steigerung der Anzahl an Verzweigungen im Wurzelsystem führt, und damit zu einer besseren Durchdringung des Bodens.

*Die Kultur von Pflanzen, die unter optimierten Bedingungen herangezogen werden, bedarf der ständigen, heute meist computergesteuerten Kontrolle. Man verzeihe mir, dass ich eine solche Kultur hier in Ermangelung eines passenderen Ausdrucks ‚artifiziell‘ nenne.

Mittwoch, 26. Juli 2006

Feinstaub

Ein an sich feingliedriges und deshalb schönes Wort, das wir trotzdem relativ lange nicht mehr gehört haben. Das mag etwas mit Übersättigung zu tun haben. Aber das ist es nicht, da Probleme, so sie anhalten, normalerweise auch in den Schlagzeilen bleiben. Das mag noch so nerven.

Es ist etwas Anderes. Feinstaub ist bei dieser Witterung zu etwas dermaßen Gewöhnlichem geworden und die Konzentrationen derart hoch, dass selbst die immer Aufmerksamen die Trillerpfeifen weggelegt haben. Die Politik meidet das nunmehr überwältigende Problem. Sie käme aus dem Stöhnen nicht heraus und sämtliche Beteuerungen, das Problem lösen zu wollen und zu können, wären sofort der Lächerlichkeit ausgesetzt. Aus Unkenntnis, wie sich zeigen wird.

Es gibt eine Lösung. Selbstverständlich müssen alle technischen Vorrichtungen, die Feinstaub an der Quelle eliminieren, eingesetzt werden und Erzeuger von Feinstaub aus dem Verkehr gezogen werden. Doch das hat seine Grenzen und reicht nicht oder ist manchmal nicht möglich. Es gibt ein kaum beachtetes und weit unterschätztes Mittel: Bäume. Bäume sind auch bestens geeignet, der ständigen Erwärmung, der Klimaänderung Paroli zu bieten. Bäume können die Klimaänderung zwar nicht aufhalten aber wesentlich mindern.

Weite Landstriche liegen brach und können in kürzester Zeit erholsamen, luftreinigenden, Staub absorbierenden, Sauerstoff spendenden, der Trockenheit entgegenstehenden, wasserhaltenden Wald tragen. In unseren Städten ist nicht ein Viertel der Möglichkeiten genutzt, Bäume, Sträucher und anderes Grün zu tragen. Gerade in Städten kann mit relativ günstigen und zur Verfügung stehenden Mitteln, nämlich Vegetation zu ermöglichen, einerseits das Mikroklima von Straßen und Plätzen wesentlich günstiger gestalten werden sondern auch in summa einen Anschluss an umgebende Grüngebiete gewonnen und so das Klima insgesamt ausgeglichener gestaltet werden.

Ein komplexes Geflecht von Lebendigem erreicht hier von selbst und ohne dass jeder Strang der Komplexität erforscht und teuer eingesetzt werden muss, eine Förderung der Gesundheit, wie sie unter Einsatz aller bewusst eingesetzten Wissenschaft nie erzeugt werden könnte.

Leute, Stadtplaner pflanzt Bäume. Das ist kein Grüngesäusel, keine Naturromantik (Natur schon gar nicht), es ist knallharte Wirkung, manche sprechen auch von Notwendigkeit. Der Ausdruck "Lebensqualität" gehört ebenfalls hier her.

Montag, 17. Juli 2006

Wo man so hintritt

Es gibt Pflanzen, auf denen kann man herumtrampeln, und es macht ihnen so gut wie nichts aus. Sie haben sich darauf eingerichtet. Das haben sie mit der Regierung unter Frau Merkel gemeinsam. Aber um Merkel & Co geht es hier nicht.

Bruchkraut
Herniaria glabra

Wenn wir uns zu Fuß in der Stadt bewegen, fühlen wir meist festes Pflaster unter unseren Schuhen. Doch hin und wieder treten wir bewusst oder unbewusst auch auf jene Pflanzen, die zwischen den Ritzen von Steinplatten oder Fugen am Rand eines Bürgersteigs oder auch üppiger am Rand eines Schotterweges oder Trampelpfades wachsen.

Bruchkraut3

Das ist so und das ist auch nicht beunruhigend. Schauten wir interessiert hin, würden wir feststellen, dass es sich in der Mehrzahl um die immer gleichen Pflanzen handelt. Hier wachsen Pflanzen, die es aushalten, dass man auf ihnen rumtrampelt. Man kann sogar so weit gehen zu sagen, dass diese Pflanzen, abgesehen davon, dass nur wenige Pflanzen geeignet sind, sich mit so geringem Lebensraum wie Spalten und Ritzen sie nun mal darstellen, zu begnügen, ohne dass auf ihnen rumgetrampelt wird, nicht diesen speziellen Lebensraum besiedeln könnten. Gemeint ist, dass sie dort nur deshalb existieren, weil andere Pflanzen, die sich ebenfalls mit einem Spalt, einer Ritze oder Fuge begnügten aber eine höhere Vitalität aufweisen, das auf ihnen Rumtrampeln nicht vertragen, dort eben nicht gedeihen können. Hier kommen also Genügsamkeit und das Ertragen häufiger Störung zusammen. Im Zuge des gnadenlosen Kampfes um die Existenz hilft Ihnen dieser Umstand jene Lücke zu finden, die ihnen und eben nicht den anderen das Überleben ermöglicht.

Da der Mensch und die Wissenschaft, hier die Pflanzensoziologie, gerne erkennbare Zusammenhänge und Phänomene benennen, hat auch diese Gesellschaft einen Namen bekommen: Trittpflanzen-Gesellschaft. Man spricht auch bei der Waldwegvegetation, die sich im Trittbereich der Spaziergänger oder Waldarbeiter oder auf und neben Wildwechseln etc. befindet, von Trittpflanzen. Je nach äußeren Bedingungen (Licht, Bodenbeschaffenheit, Feuchtigkeit) entwickeln sich unterschiedliche Trittpflanzen-Gesellschaften, die jeweils typisch für bestimmte Umweltbedingungen sind.

Sie werden nach ihrer Leitpflanze an erster Stelle und typischen Begleitpflanzen in der Folge benannt. So unterscheidet man z.B. in der Eifel vorzugsweise diese 5 Vogelknöterich-Trittgesellschaften:

1. Vogelknöterich-Trittgesellschaften (Polygonion avicularis Br.-Bl. ex Aich 33)

a. Mastkraut-Trittgesellschaft (Bryo-Saginetum procumbentis Diem., Siss.
et Westh. 40 n. inv. Oberd.)
b. Lolch-Vogelknöterich- Trittgesellschaft (Lolio-Polygonetum arenastri Br.-
Bl. 30 em. Lohm. 75)
c. Trittgesellschaft der Zarten Binse (Juncetum tenuis Diem., Siss. et Westh. 40) Schwick. 44)
d. Trittgesellschaft des Einjährigen Rispengrases (Poa annua-
Gesellschaft)
e. Wegerich-Brunellen-Gesellschaften (Prunella vulgaris-Plantago major-
Gesellschaften)

Wen es interessiert, kann hier und hier einen kleinen Einblick in die Methodik der Feldarbeit einer Gruppe von Pflanzensoziologen gewinnen.

Vogelknöterich, der Breitblättrige Wegerich, verschiedene Gräser und etliche mehr sind typische Pflanzen der bei uns vorkommenden Trittpflanzengesellschaften.

Hier in Düsseldorf ist mir in diesem Zusammenhang eine Pflanze aufgefallen, die so unscheinbar ist, dass man sie kaum wahrnimmt. Man spürt sie nicht, es knirscht nicht, wenn man auf sie tritt und sie liegt dem Boden dermaßen flach auf, wie ich es von kaum von einer anderen Pflanze unserer Breitengrade kenne.

Zuerst bereitete es mir Schwierigkeiten, sie zu bestimmen, zumal sie derart fein gegliedert ist, dass ohne Lupe nicht allzu viel zu erkennen ist. Die mastigen, wasserspeichernden Zweiglein und das äußerst sparsame Vorkommen von winzigen, wasserhaltenden Blättern weist auf eine Anpassung an Trockenheit hin und ließ mich zuerst annehmen, dass dies eine Fette Henne (ein Sedum) sein müsse.

Sedumrubro
Sedum rubrotinctum

Die äußerst zahlreichen, mehr als Knöllchen denn als Pracht vorkommenden Knospen und Blüten, welche die ganze Pflanze dicht bedecken, und die in Sektionen gegliederten Zweige jedoch ließen diese Einordnung nicht zu.

Bruchkraut5

Ich bin auf die richtige Einordnung gestoßen, als ich ein Kompendium über Arzneipfllanzen aufschlug. Es handelt sich um das Bruchkraut. Dies ist eine seit alters her bekannte und in der Volksmedizin geläufige Pflanze. Der botanische Name lautet Herniaria glabra. (herniaria von lat. hernia = Bruch, glabra = glatt, kahl, ohne Haare) Sie wurde in der Volksmedizin gegen Bruch angewendet. Daher der Name.

Für meine erste Fehldiagnose wurde ich mehr als entschädigt, als ich feststellte, dass etwa 80% der Veröffentlichungen sie zu den Cariophyllaceen (Nelkengewächse) zählen, während sie richtiger Weise den Illecebraceae (Knorpelkrautgewächsen), die allerdings wohl eine enge Verwandtschaft zu den Cariophyllaceae aufweisen, zuzurechnen sind. Die Familie ist nach Illecebrum (Knorpelblume), einer der Herniaria ähnlichen, hier (in Düsseldorf und Umgebung) jedoch nicht vorkommenden Pflanze benannt.

Dies sei ein Beispiel dafür, dass nicht eine mehrfach beschriebene Pflanze nachträglich nach der ersten gültigen Beschreibung umbenannt wurde, sondern die Wissenschaft eine neue Familie einführt, welche von einer lange bestehenden abgetrennt wurde. Neuere Erkenntnisse müssen dazu geführt haben, hier enger zu differenzieren.

Außerhalb der Stadt kommt Herniaria verstreut auf Triften, Heiden und sandigen Böden vor.

Wer sich für die medizinische Anwendung und die Inhaltsstoffe interessiert, kann hier nachsehen. A propos Sehen. In den Momenten größerer Muße beim übers Pflaster schreiten und wenn man den Anblick geradeaus, zur Seite und nach oben nicht so reizvoll findet, Herniaria findet man häufig. Da unten vor und unter den Füßen.

Dienstag, 11. Juli 2006

Aus Gras Gold machen

Der Rasen aus dem WM-Stadion in Berlin wird stückchenweise und z.T. in Acryl gegossen über das Versandhaus Quelle verkauft. Filetstücke wie 11- Meter-Punkt, Fünf-Meter-Raum-Ecken und Torlinien werden bei e-bay versteigert, weil's noch irrationalere Preise verspricht.
Solches begreifen wir als Normalität.

Gänseblümchen

Bellis

Je weiter eine Pflanze verbreitet ist und je bekannter sie ist, um so zahlreicher sind die Namen, die ihr der Volksmund gibt. So heißt unser Gänseblümchen, welches in fast ganz Europa häufig vorkommt auch Augenblümchen, Gänseliesl, Maiblume, Mairöserl, Mutterblümchen, Maßliebchen, Osterblume, Regenblume, Sonnentürchen und Tausendschön. Maiblume heißt aber auch unser Maiglöcklchen (Convallaria majalis), als Osterblume bezeichnen wir auch die Narzisse (Narcissus pseudonarcissus) und das Tausendschön ist für Viele eine kleine wilde Nelkenart, die zwar nicht hier heimisch aber in Gärten sehr verbreitet ist. Sie trägt ihren Namen, weil die sie in einer Fülle verschiedener Farben blüht. Da ist man doch dankbar, dass es einen definierten botanischen Namen gibt Bellis perennis (Bellis – der, die, das Schöne) (perennis – durch die Jahre [ausdauernd]). Die Engländer nennen sie schlicht Daisy, die Italiener Margheritina.

Wir finden sie vor allem auf unseren Rasenflächen, vor allem dort, wo diese nur alle paar Wochen gemäht werden, so z.B. besonders häufig und dicht wachsend auf jenen handtuchartigen Rasenstücken vor Häusern der Wohnbaugesellschaften, aber auch vor vielen Reihenhäusern und eben bei mir und dir. So gut wie jeder hat sie in seinem Garten. Neben dem breitblättrigen Wegerich ist sie der Schrecken der Golfplätze. Während sie uns eher erfreut als stört, würde sie den kleinen, weißen, runden Golfball ganz schön aus der Bahn werfen, wenn die Golfer nicht mit allen Mitteln gegen sie vorgehen würden. Ein regelmäßiger Schnitt des Grüns ist da nicht ausreichend.

Was befähigt das Gänseblümchen entgegen vielen anderen mindestens ebenso hübschen Blumen, das wiederholte Gemetzel der Rasenmäher zu überstehen?

Es sind vor allem die rosettenartig auf dem Boden liegenden Blätter, die von dem schärfsten Rasenmähermesser nicht erreicht werden. Die aus dieser bodennahen Rosette halb aufrecht wachsenden, inneren Blätter werden schon mal gekappt. Das hält die Pflanze aus. Außerdem ist so eine Pflanze, obwohl sie nicht den Anflug eines Gehirns besitzt, bedingt lernfähig. Wird eine Pflanze immer wieder in der gleichen Weise gestört, so ändert sie ihr Wachsverhalten. Die halb aufrecht wachsenden, inneren Blätter wachsen bald ebenfalls flach und bodennah. Diese ‚Lernfähigkeit‘ machen sich ökologisch orientierte Gärtner, die chemische Stauchemittel nicht anwenden wollen, zu Nutze. Sie konstruieren vor allem im Zimmerpflanzenanbau Vorrichtungen, die sanfte Bürsten oder Lappen so über Pflanzenkulturen streifen lassen, dass diese immer wieder gestört werden. So wachsen diese weniger in die Höhe und mehr in die Breite. Damit erreicht der ökologische Gärtner das Gleiche wie sein Chemie anwendender Kollege, eine gedrungene Pflanze, die auf die Fensterbank passt.

Es kann auch sein, dass sich in unseren Gärten inzwischen, es dürfte mittlerweile fast 100 Jahre Rasenmäherterror geben, durch simple Selektion eine Gänseblümchenrasse herausgebildet hat, die von sich aus besonders bodenflache Blattrosetten ausbildet. Bei einer solchen Vielzahl von Generationen könnte sich durchaus eine genetische Angleichung an die menschengemachten Verhältnisse stattgefunden haben.

Wir sind immer noch bei der Frage, wieso das Gänseblümchen es schafft, sich auf unseren Rasenflächen so breit zu machen. Zu beobachten ist, dass Gänseblümchen es schaffen, Graspflanzen zu verdrängen. Das ist insofern erstaunlich, als die Wuchsfreudigkeit von Gras der des Gänseblümchens überlegen ist. So weit ist die Aussage gesichert. Was jetzt kommt ist eine Vermutung, zu der ich keinerlei wissenschaftlich gesichertes Material finde.

Man weiß von anderen Pflanzen, dass sie ihren Platz dadurch verteidigen oder bereiten, dass sie wenn ihre Wuchsfreude nicht ausreicht, die Konkurrenten dadurch zu eliminieren, dass sie ihnen durch üppiges, hohes Laub das Licht für die Photosynthese nehmen und Wasser und Nahrung verknappen, indem sie zu geradezu subversiven Mitteln greifen. Sie geben chemische Stoffe in den Boden ab, welche für den Nachbarn schwer bis überhaupt nicht verträglich sind. Da kann die Aufnahme von notwendigen Nährstoffen gestört werden, oder aber es kommt schlicht zu Vergiftungen oder aber man lockt den Hauptfraßfeind des Konkurrenten an. Eine solche chemische Kampfführung vermute ich auch bei klein Daisy, unserem so unschuldig aussehenden Gänseblümchen.

Die verschiedensten Inhaltsstoffe wie Gerbstoffe, Bitterstoffe, Schleime, Saponine, ätherische Öle, Flavonoide und Anthoxanthin machen sie auch für die Volksmedizin interessant. In der Naturheilkunde wird sie als Schmerz- und Wundheilmittel bei Schürfwunden, Prellungen, Verstauchungen, Muskelschmerzen und allgemein bei Hautleiden eingesetzt. Ferner soll sie den Stoffwechsel anregen und wird daher bei Gicht und Rheuma eingesetzt. Von da ist es nicht weit zu unseren aktuell die Gesundheit und die Natur im Auge habenden ‚Iss Deine Wiese und Du bleibst gesund‘-Vertretern und -Vertreterinnen. Die Knospen kann man als falsche Kapern einlegen. Wer weiß, wie man Kapern einlegt? Die Blüten sollen einen herzhaften Geschmack haben und sich hervorragend als Butterbrotbelag eignen. Blüten und Blätter sollen in keinem Salat fehlen. Löwenzahnsalat mit Gänseblümchen und ein paar klein gehächselte, oder heißt es gehexelte, Bärlauchblätter als Würze. Na?!

Ist unser Gänseblümchen jetzt gefährdet? Wird es jetzt von uns einfach aufgefressen? Wohl kaum. Die Vorgärten liegen zu nahe an der Straße und damit im Bereich der Autoabgase. Wenn wir beim Sammeln von Gänseblümchen in unserem Vorgarten auch kaum Gefahr laufen, uns wie beim Sammeln von Bärlauch, dem Naturhit der letzten Jahre, den Fuchsbandwurm zu holen, so dürfte der Besuch Beinchen hebender Hunde aus der Nachbarschaft uns zusätzlich den Appetit verderben. Unser Gänseblümchen bleibt ungefährtdet. Da müsste schon eine Schar Gänse kommen. Diese haben die Blümchen, die ihren Namen führen, nämlich zum Fressen gern. Hühner tun’s auch. Gänse im Vorgarten, wo wir diese doch vor allem aus der Tiefkühltruhe kennen, der frühe Schrei des Hahns ohne Mist? Geht nicht, nicht wahr? Unser Gänseblümchen bleibt uns somit erhalten und blüht und blüht und blüht quasi das ganze Jahr. Nur wenn es friert, legt die Schöne ein Päuschen ein.

Aber im Urlaub auf der unschuldigen Alm mit den glücklichen Kühen, da können wir mal probieren, wie das ist mit Gänseblümchenblüten auf der Salzbrezel. Auch bleibt, so lange die hierfür vor allem verwendete Margerite noch nicht blüht, das blütenmordende Spielchen "Er liebt mich, er liebt mich nicht", wobei so lange genüsslich ein Blütenblatt nach dem anderen ausgerissen wird, bis keines mehr vorhanden ist. Weit mehr Blüten braucht es für die hübschen Kränze, die man dergestalt pflicht, dass man mit spitzem Fingernagel einen Schlitz in den dünnen Blütenstiel macht, durch welchen dann der Blütenstiel der nächsten Gänseblume gesteckt wird usw, usw. Vielleicht macht das gesunde Fingernägel? Wer weiß?

Freitag, 7. Juli 2006

Schmalblättriges Greiskraut

Senecio inaequidens


Wanderer in den Welten ohne Füße noch Beine zu haben, ohne Flügel und ohne Herz und zentrales Nervensystem. Ein Wanderer, der nur existieren kann, wenn er fest verwurzelt in der Erde sein Leben gestaltet, ernährt von Luft, Wasser, Sonne und löslichen Mineralien. Es handelt sich um eine Pflanze, eine Pflanze, der unsere Eltern in ihrer Jugend kaum begegnet sein dürften, denn es gab sie schlichtweg nicht, nicht hier in unseren Breiten.

Kein Wunder, hat sie doch eine verdammt weite Reise zu bewältigen gehabt, um hier zu siedeln. Dabei hat sie sogar die Hemisphären gewechselt. Wir reden vom Schmalblättrigen Greiskraut (Senecio inaequidens)

Jetzt finden wir es überall und massenhaft dort, wo die Bedingungen für die meisten einheimischen, zumindest höheren Pflanzen denkbar ungünstig sind. Am Mörsenbroicher Ei in Düsseldorf, einem gar ungastlichen, stark befahrenen, innerstädtischen Verkehrsknotenpunkt, auf Schotter- und Kiesflächen, sie wächst aus den Fugen gepflasterter Wege und das bis auf die Rheinbrücken, also Flächen, die keinerlei Verbindung zu gewachsenem Boden haben, ja wo von Boden im landläufigen Sinne überhaupt nicht geredet werden kann, bevölkert Dachrinnen und kommt sogar als Aufsitzerpflanze in Astgabeln von Bäumen vor. Das ist also ein äußerst robuster und genügsamer Geselle. Erst da, wo andere Vegetation gleich großer oder größerer Pflanzen zahlreich möglich ist, kann sie keinen Fuß fassen. Am üppig bewachsenen Düsselrand z.B. wird man sie vergebens suchen, auch wenn sie ein paar Meter weiter zwischen Bordstein und viel befahrener Straße überall hervorlugt.

Greisskraut1
in Düsseldorf auf der Nordbrücke

Beschreibung

Das schmalblättrige Greiskraut ist eine verzweigte, mehrjährige Staude, mit schmalen, lanzettlichen, am Saum gefurchten Blättern. Die Blätter sind am Rand oft etwas eingerollt. Sie erreicht eine Höhe von 40 – 60 cm. Sie gehört zu den Korbblütlern (Asteraceae) und blüht gelb. Die Blütenköpfchen haben einen Durchmesser von ca. 2,5 cm, mit 10-15 gelben Zungenblüten. Die Blütezeit in Europa ist von Juni-Dezember, wobei ein immer früher einsetzender erster Blühtermin beobachtet werden kann. Sie fällt schon auf, wenn sie quasi als einzige, häufige Pflanze im Späthernst oder frühen Winter noch ziemlich üppig blüht.

Herkunft

Das erklärt sich daher, dass Sencio inaequidens aus Südafrika, aus der südlichen Hemisphäre stammt, also um 6 Monate verschobene Jahreszeiten gewohnt ist. In Südafrika ist Senecio inaequidens weit verbreitet. Als Ursprungsgebiet gilt das "Highveld" von Transvaal, Natal und Oranje-Freistaat, von wo aus die Art sich aber in ganz Südafrika ausgebreitet hat und überall häufig anzutreffen sein soll. Hauptblühperiode dort ist von Oktober bis Februar.

Ausbreitung, Ausbreitungswege

Wie aber kommt dieser Frechling hierher? Einige Quellen sagen, die Pflanze sei mit Eisenerz-Importen hier her gelangt. Andere sprechen von Baumwoll-Importen.
Ich weiß nicht, wie hoch der Erzimport aus Süd-Afrika ist und ob er überhaupt stattfindet oder stattfand. So weit ich weiß, wächst in Süd-Afrika keine Baumwolle. Es kann aber sein, dass Baumwolle aus Zimbabweh seinen Weg über Süd-Afrika zu uns findet.

Wahrscheinlicher und am häufigsten und in den seriösen Quellen festgestellt ist, dass unser Greiskraut als Anhaftung an Wollballen hier her gekommen ist und vielleicht noch kommt. Dafür spricht auch, dass die erste Erwähnung von Senecio inaequidens aus Hannover von dem Gelände einer wollverarbeitenden Firma stammt – das war vor etwa 100 Jahren - und dann von auffallendem Auftreten der Pflanze im Hafen von Bremen die Rede war. Von dort aus und von Vorkommen in Lüttich hat sich die Pflanze erst den Westen unseres Landes erobert. Später meldete sie sich auch aus Süddeutschland. Die Verbreitung erfolgt vor allem längs der Bahnlinien. Mir selbst ist sie zum ersten Mal vor etwa 20 Jahren auf der Bahnstrecke von Köln über Euskirchen nach Aachen (-Lüttich) aufgefallen. Überall zwischen den Gleisen blühte diese unbekannte Pflanze oft von dem Boden der Zugwaggons stark rasiert und mit schwarzem Öl beschmutzt. Heute setzt sie ihre Eroberung längs der Bahnstrecken und Autobahnen Richtung Osten fort, so dass man seit dem Fall der Mauer auch aus Berlin, Leipzig und Dresden vom Vorkommen der Pflanze berichtet.

Gestern wurde in einem Beitrag auf WDR-TV von einem Botaniker, der sich mit der Pflanzenansiedlung auf den verlassenen Industrieterrains und - Ruinen im Ruhrgebiet befasst, die These vertreten, dass Senecio inaequidens mit Eisentransporten seinen Weg hierher gefunden habe. Das scheint plausibel, wenn man bedenkt, dass im Ruhrpott Eisen verarbeitet wurde. Ich kann mich dieser Sicht nicht anschließen, sondern sehe den Transport über Wollimporte als wahrscheinlicher an. Von den Zentren der Wollverarbeitung, wo die Pflnze zum ersten Mal auftauchte, wurde sie längs der Bahnlinien verbreitet. Das lässt sich eindeutig feststellen. Von diesen Bahnlinien, so meine ich, wurde sie bald längs aller Bahnlinien verschleppt. Mit Zügen reisen nun mal nicht nur Menschen und Waren sondern auch diese kleinen mit Flughaaren versehenen und leicht anhaftenden Samen des Greißkrauts. Übrigens auch des einheimischen Greißkrauts. Senecio vulgare. Bahngleise und Gleisanlagen sind ideal für unseren Wanderer. Hat er dort doch kaum Konkurrenz und kommt mit den spärlichen Gegebenheiten zwischen und neben den Gleisen bestens zurecht.

Konservative Bewertung

Senecio inaequides ist somit ein hier jetzt häufig vorkommender Neophyt der jüngeren Geschichte. Unter Neophyten verstehen wir Pflanzenarten, die nach 1500 eingebracht worden sind.

Senecio inaequides ist sogar ein invasiver Neophyt. Als invasive Arten werden solche Arten bezeichnet, die sich so stark und rasch ausbreiten, dass sie viele andere für den betreffenden Lebensraum charakteristische Arten verdrängen.
Wir kennen solches von Neozoen, eingewanderten oder eingeschleppten Tieren, wie Waschbär, Bisam oder der Wanderkrabbe und der Streifenmuschel. Manche der invasiven Neophythen begreifen wir inzwischen schon als einheimisch,. Dazu gehören unter anderem die Goldrute (Solidago canadensis), Die Robinie oder Falsche Akazie (Robinia pseudoaccacia) oder den Schmetterlingsstrauch (Buddleia davidii)

Die Gefährlichkeit von Neophyten ist in Listen erfasst. Diese ordnen sich in eine

Schwarze Liste: Neophyten, die erwiesenermassen negative ökologische Auswirkungen haben und aus der Sicht des Naturschutzes problematisch sind, eine
Graue Liste: Neophyten, die sich im Lande auszubreiten scheinen und an wenigen Stellen bereits Probleme verursachen und in eine
"Watch list": Neophyten, die nicht weit verbreitet sind und keine Probleme verursachen; deren Ausbreitung aber beobachtet werden muss.

Senecio inaequidens steht auf der Schwarzen Liste

Doch ist es nicht nur die rasante Verbreitung, die Sorgen macht. Senecio inaequadens ist wie auch unsere heimischen Greiskräuter giftig. Unser gewöhnliches Greiskraut (Senecio vulgaris) bereitet den amerikanischen Farmern Sorgen, wächst es doch auf dem Farmland und wird von den dort grasenden Rinderherden gefressen. Es ist ja nicht so, dass nur andere Länder uns solche Kuckuckseier ins Nest legen. Von hier aus kommen ebenfalls recht unerwünschte Vertreter in die Welt. Ebenso kann dieser Fremdling hier auf Magerwiesen, die beweidet werden, Fuß fassen und gelangt so in die Mägen unseres vor allem Milchviehs und über diesen Umweg in die unseren.

Wie wird man eines solchen Eindringlings Herr. Wenn solch eine Spezies Fraßfeinde hat, ist das oft kein so großes Problem. Hier aber fehlen diese. Unsere Kaninchen, die mit Vielem fertig werden, mögen Senecio nicht so gerne, knabbern an ihnen ein wenig rum und meiden dieses Grün dann. Auch die meisten Schnecken vollführen ihr gefräßiges Werk nicht an dieser Pflanze. Gegen Pilzkrankheiten ist der robuste Kerl einfach unempfindlich. Fazit, man kann nichts machen. So was kennen wir ja auch aus der heimischen Flora. Oder ist es Ihnen schon mal gelungen, in den Garten gewanderten Giersch wieder auszurotten?

Fazit

Und doch pflück ich mir im November, wenn nichts Anderes mehr blüht, gerne meinen Strauß Senecio inaequidens und stell ihn in die Vase. Dort hält er sich oft 14 Tage lang. Auch da beweist sich die Zähigkeit dieser Pflanze.

Zuwanderung ist ein besonders sensibler Bereich. The world is changing.

Greisskraut2
in Düsseldorf auf dem Bahnsteig des Derendorfer Bahnhofs

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